Es gibt Spiele, denen fiebert man als «Provinz-Tschütteler» entgegen und dann gibt es solche, auf die brennt man richtiggehend. Ein solches war das jüngste Gastspiel von Männedorfs Reserven in Stäfa.
Es kam wieder einmal zum zweit-epischsten Seederby für die Fischotter nach der Mutter aller Derbys, jenem gegen Erzrivale Meilen. Für Aussenstehende mag diese Rangordnung auf den ersten Blick etwas merkwürdig erscheinen, haben doch die Gemeinden Männedorf und Stäfa eine gemeinsame Grenze. Oder vielleicht können Meilen und Männedorf eben gerade nur darum friedlich koexistieren, weil Uetikon dazwischen als Puffer dient.
Prominente Gegner
Unwichtige Nebenschauplätze: Jedenfalls traf die zweite Mannschaft am letzten Sonntag auf den FC Stäfa, unter den Aufstiegs-Aspiranten in der Gruppe sechs der Verein, der in den regionalen Wettbüros am besten gehandelt wird. Oder bei Saisonbeginn zumindest wurde.
Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: der eine heisst Elmer, der andere da Silva. Letzterer hat zwar gemäss transfermarkt.ch offiziell seine Fussballschuhe an den Nagel gehängt, aber auf dieses Portal ist bei solchen Angaben etwa gleich viel Verlass, wie auf den Rechtsstaat in Somalia.
Und Elmer? Der Stäfner fungiert gemäss der noch viel vertrauenswürdigeren Quelle Wikipedia seit 2020 bei seinem Heimatclub als Assistenztrainer. Dort also, wo er vor seiner Profi-Karriere als Junior kickte, ehe er zuerst zum mittlerweile tief gefallenen Schweizer Rekordmeister und anschliessend an die Londoner Stamford Bridge wechselte, wo er – noch immer blutjung – mit Weltstars wie Didier Drogba, Arjen Robben, John Terry oder Frank Lampard trainieren und auch kurz spielen durfte.
Und während Letzterer in Englands Hauptstadt seinem Königstransfer Timo Werner wohl gerade die letzten Kniffs beibringt, wie man mit englischen Boulevardjournalisten umzugehen hat, zog sich dessen Kumpel Elmer knapp 1000 Kilometer östlich auf dem Frohberg gerade die Stulpen zurecht, ehe der Anpfiff zum heiß ersehnten Seederby fiel.
Dass viele Augen auf den zentralen Mittelfeldspieler gerichtet waren, kam indes wenig überraschend. Dies hatte jedoch auch damit zu tun, dass bei Stäfa der Promi-Faktor sichtlich abgenommen hat, seitdem Goalie-Legende Ronny Fischer seine Schulter in der Schlinge trägt und Allzweckwaffe Karim Uhr das gleiche Schickal teilt wie auf Männedörfler Seite zuletzt Simone Krebser und die Gebrüder Huber, nämlich eine unnötig eingeheimste Sperre abzusitzen.
Taktik der Hellenen
Die Rollen in diesem Derby waren klar verteilt. Nach den Erwartungen von Stäfas-Trainer Urs Fritschi konnte in diesem Spiel nur ein Sieg genügen. Vermutlich hatte der erfahrene und durchaus aufstiegserprobte Coach, von Beruf ist er als Kaminfeger in und um Uetikon tätig, insgeheim sogar die Hoffnung, dass seine Mannen, die Gäste mal eben locker vom Feld fegen würden, wie sie es zuletzt gegen den SC Zollikon getan hatten. Aber dem war nicht so.
Denn Männedorfs Trainergespann Heusser/Ganci hatte die Jungs mustergültig auf diese mit Spannung erwartete Partie eingeschworen. Als Vorbilder in dieser Schlacht dienen sollten die Griechen. Und zwar nicht etwa jene, die in der Antike rund um die Ägäis Feldzüge unternahmen, sondern das Team, das damals unter Otto «Rehakles» Rehagel in Portugal sensationell Europameister wurde. Dies wiederum dürfte dem Neo-Stäfner da Silva ebenso wenig gefallen haben, wie damals den senhores Figo, Deco und Ronaldo.
Die Taktik der Gäste bestand demnach, wie damals jene der Griechen, darin, gegen den spielstärkeren Gegner, tief zu stehen, die Räume eng zu machen und so wenig Abschlüsse wie möglich zuzulassen, um dann in den entscheidenden Momenten mit Kontern oder Standardsituationen gefährlich zu werden. Dass dieses Unterfangen gelingen könnte, waren sich die Männedörfler spätestens nach dem Abschlusstraining am Donnerstag bewusst als die Stäfner auswärts in Hinwil zur Überraschung vieler mit 0:1 unterlagen.
Die taktische Marschroute der Fischotter funktionierte lange gut, obschon die Stäfner erwartungsgemäss mehr Spielanteile hatten. Die Rolle des Davids schien den Männedörflern gar zu bekommen, auch wenn sie dafür auch ein Quäntchen Glück benötigten – so etwa beim Lattenschuss von Stäfa-Stürmer Elia Schmitt nach etwas mehr als einer halben Stunde. Zuvor war Männedorfs Pascal Pause im Strafraum zu Fall gekommen. Der Penaltypfiff blieb jedoch zum Leidwesen der stattlichen Männedörfler Kurve aus.
Apropos Kurve: in dieser Hinsicht hatten die Männedörfler für einmal Konkurrenz. Stäfas «scharfe Egge» unterstütze das Heimteam mindestens so lautstark, wie der Männedörfler Mob die Gäste. Die Stäfner Behörden dürften sich, wenn das so weitergeht, bald vermehrt mit Lärmklagen mit Ursprung Frohberg befassen müssen. In Männedorf ist man sich dies spätestens seit der Beschwerde über das Stöhnen gebärender Mütter im Spital gewohnt.
Den Ex-Profi getunnelt
Der Geräuschpegel stieg merklich an, als kurz vor der Pause Stäfas Captain Nico Monn zur Führung einnickte. Der Leithammel, der seit einem Jahrzehnt Teil der Frohberg-Elf ist, katapultierte sich mit diesem Treffer mal eben an die Spitze der internen Torschützenliste, die aktuell natürlich etwa gleich aussagekräftig ist, wie eine Ansprache auf Englisch von Finanzminister Ueli Maurer.
Absender des Corners war übrigens ein gewisser Herr Elmer. Dieser musste an diesem Nachmittag aber eine bittere Pille schlucken. Juventino Flavio Bochicchio gelang es doch tatsächlich, dem einstigen Blues-Kicker ein Tunnel zu schieben. Diese Leistung war fast ebenso viel wert wie ein Sieg. Welch eine Geschichte! Von der langen Liste der ewigen Angeschlagenen und Verletzen in den Fussballolymp – ein galaktischer Aufstieg, den Tunnel-Flavio da hinlegte. Da hatte sich die Pasta fatta en casa und der Espresso vor dem Match mehr als nur ausbezahlt.
Für Jonas Elmer mag dieser Moment bitter gewesen sein. Dennoch musste man aus neutraler Optik zweifelsfrei anerkennen, dass wohl kaum einer auf dem Platz auch nur annähernd einen 50-Meter-Pass so akkurat schlagen kann, wie der Zentrumsspieler der Stäfner. Immer wieder war er Ausgangspunkt gefährlicher Vorstösse, allerdings verpassten es die Platzherren allzu oft den entscheidenden Pass in die Tiefe respektive in die Box zu spielen.
Die grosse Ausnahme präsentierte sich den zahlreich erschienen Zuschauern in der 72. Minute. Eine Hereingabe von der Seite nahm Stäfas Basil Kelterborn mit der Brust an und bugsierte das Leder per Volley in die Maschen – ein Treffer wie aus dem Stürmer-Lehrbuch.
Damit war die Vorentscheidung gefallen. Männedorf suchte zwar in den Schlussminuten vermehrt die Offensive, kam jedoch zu nichts Zählbarem mehr. Nichtsdestotrotz kann man auf Seiten der Gäste viel Positives aus diesem insgesamt soliden Auftritt mitnehmen. Viel Lob ernten konnte etwa die Viererkette, die viele Stäfner Angriffe abwehren konnte oder die einzige nominelle Spitze, Loris Carbonaro, der einige starke Szenen hatte.
Revanche gegen den Wintermeister
Als nächstes erwarten die Männedörfler nun zwei Heimspiele. Zunächst geht es am Sonntag gegen den FC Pfäffikon An das letzte Aufeinandertreffen mit diesem Kontrahenten erinnert man sich auf dem Widenbad nur ungern. Gleich mit 0:5 gingen die Platzherren gegen die Zürcher Oberländer damals unter. Pfäffikons Knipser Steven Fenner hatte damals gleich mehrfachen Anteil an diesem Vollerfolg.
Bevor die letzte Saison dann pandemiebedingt abgebrochen wurde, hatten sich die Pfäffiker relativ souverän den Wintermeistertitel gesichert. Auch heuer zählen sie zu den meist genannten Favoriten für den Aufstieg in dieser Gruppe.
Nach der Partie in Stäfa wissen die Männedörfler nun aber, wie sie es mit vermeintlichen stärkeren Teams aufnehmen und mithalten können. Ausserdem hat Pfäffikon in dieser Spielzeit bereits zwei Partien verloren. Der Zeitpunkt scheint also reif, um dem Papierli-Favoriten ein Bein zu stellen. Dasselbe gilt dann auch für den FC Herrliberg, gegen den die Männedörfler am Dienstagabend auf der Festung Widenbad antreten werden. Ob dort Herrlibergs langjähriger Captain und SVP-Kantonsrat, Domenik Ledergerber, vor und nach dem Spiel noch etwas Stimmungsmache für die Begrenzungsinitiative machen wird, ist sekundär – es zählen wie immer die drei Zähler. Und momentan scheint die zweite Mannschaft definitiv auf Augenhöhe mit den Aufstiegsaspiranten agieren zu können.